Artikel: „Ich wollte was bewegen“
Viele meckern nur, wenn ihnen am ÖPNV was nicht passt. Der 16-jährige Ben Henning hat lieber eine neue Buslinie geplant und zu einer Probefahrt im Doppeldecker geladen.
Wie kommt ein Teenager auf die Idee, eine Buslinie zu planen? Fragt man Ben Henning, genügt es, wenn sich ein paar Freunde über die komplizierte ÖPNV-Verbindung nach Berlin beklagen. Für den 16-jährigen Schüler aus Berlin-Frohnau war der Frust seiner Freunde jedenfalls Grund genug, sich die Buslinie vor Ort genauer anzuschauen und tiefer zu graben. Irgendwann dämmerte ihm wohl, dass die Anbindung an das städtische S- und U-Bahn-Netz schlagartig besser würde, wenn die bestehende Buslinie anders geroutet würde.
Er macht sich selbst an die Arbeit, befragt Fachleute der zuständigen Verkehrsbetriebe BVG und OVG, tauscht sich mit Kommunalpolitiker:innen aus und befragt potenzielle Fahrgäste. Zwei Jahre lang jongliert er mit Landkarten, Tarifzonen, Fahr- und Umlaufplänen, dann stellt er die frisch geplante Expressbuslinie X26 vom brandenburgischen Schildow nach Berlin-Tegel vor. Anders als die bestehende Linie verbindet sie nicht nur zwei, sondern vier Gemeinden, außerdem bedient sie statt einem zwei S-Bahn-Äste sowie eine U-Bahn-Linie. Im März präsentiert er die Linie dem Infrastrukturausschuss, am 22. Juni bringt er den X26 bei einer Probefahrt mit einem traditionellen Doppeldeckerbus erstmals auf die Straße. Die 180 Sitz- und Stehplätzen sind ruck-zuck voll. „Ich wollte nicht nur klagen, sondern auch was bewegen“, sagt er im Gespräch mit dem Radiosender rbb.
Mit im vollbesetzten Bus waren auch die Bezirksstadträtin für Ordnung, Umwelt und Verkehr aus Reinickendorf, Julia Schrod-Thiel, sowie die stellvertretende Bürgermeisterin von Glienicke/Nordbahn, Jana Klätke. Für die beiden aneinandergrenzenden Kommunen aus Berlin und Brandenburg ist die verkehrliche Anbindung oft ein Thema; die Gemeindeverwaltung Glienicke/Nordbahn hat die Probefahrt im Doppeldecker arrangiert. „Das ist eine Riesenleistung für einen 16-jährigen jungen Mann, der sich so intensiv mit der Thematik beschäftigt hat, sich eingearbeitet und uns sogar Lösungen präsentiert hat“, zeigte sich Klätke beeindruckt. Schrod-Thiel sicherte zu, die Initiative gegenüber den zuständigen Verkehrsgesellschaften und der Berliner Senatsverwaltung zur Sprache bringen zu wollen.
Ben Henning ist inzwischen weiter in Sachen X26 auf Tour. Jüngste Zwischenstation war die Sitzung der Gemeindevertretung von Glienicke/Nordbahn. Dort war er als Experte eingeladen, um bei Fragen Rede und Antwort zu stehen. Der Einsatz hat sich offensichtlich gelohnt: Bürgermeister Dr. Hans Günther Oberlack erhielt den einstimmigen Auftrag, mit allen beteiligten Körperschaften sowie den potenziellen Betreibergesellschaften BVG und OVG Gespräche aufzunehmen, „um die Linie rasch ins Leben zu rufen.“
Kommunen, die Nachwuchskräfte mit ÖPNV-Kompetenz suchen, müssen sich aber gedulden. Noch besucht Ben das Gymnasium. Danach stehen die Chancen aber nicht schlecht: Später würde er »sehr gern im kommunalen Bereich arbeiten«, weil man dort im Leben der Menschen direkt etwas verbessern könne, zitiert ihn der Spiegel.
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Bildnachweis: Bezirksamt Reinickendorf