„Wir brauchen vernetzte Infrastruktur“

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25. Juni 2024, 18:09 Uhr

Artikel:  „Wir brauchen vernetzte Infrastruktur“

Frankfurt digitalisiert seine ÖPNV-Landschaft. Im Fokus steht die Kombination von kommunikationsbasierter Zugsteuerung und kooperativen intelligenten Verkehrssystemen.

Kabelkanalabdeckungen machen selten Schlagzeilen – es sei denn, unter ihnen schlummert ein handfestes Zukunftsversprechen. In den Tunneln der Frankfurter Stadtbahnlinien U4 und U5 ist genau das der Fall. Satte 60 Kilometer Lichtleiterkabel bilden hier seit Ostern den Backbone für die digitale Zugsicherung von morgen; 2027 soll es auf den Stadtbahnlinien U4 und U5 so weit sein, ab 2032 auf den anderen sieben Linien.  

Svenja Denninghof, bei der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) als Fachgruppenleiterin Bau und Inbetriebsetzung für Leit- und Sicherungstechnik im Einsatz, hat die Kabelverlegung koordiniert und beaufsichtigt. Drei Wochen waren die Tunnel der beiden Linien gesperrt, 200 Leute tagein, tagaus damit beschäftigt, die neuen Kabel einzuziehen und bei der Gelegenheit Schienen, Fahrdraht und Beleuchtung gleich mit auf Vordermann zu bringen. „Da weiß man abends, was man den Tag über gemacht hat“, sagt Denninghof, die aktuell an der Frankfurt University of Applied Science ihren Master of Engineering erwirbt. 

Die Mühe lohnt sich, denn am Ende winkt das digitale Zugsicherungssystem DTC und mit ihm ein deutlich leistungsstärkeres und zugleich effizienteres Stadtbahnnetz: „Wir bekommen künftig 25 Prozent mehr Züge auf die Strecke. Gleichzeitig steigt die Taktgenauigkeit, während der Energieverbrauch je nach Fahrweise um bis zu 25 Prozent sinkt und der Materialverschleiß dank sanfterer Brems- und Beschleunigungsvorgänge abnimmt. Und das alles, ohne auch nur einen Kubikmeter zusätzlichen Beton zu verbauen“, fasst Christian Schmidt, Fachbereichsleiter Systemtechnik bei der VGF, die Vorteile digitaler Zugsicherung zusammen. 

Die kalkulierten Effizienzgewinne sind vor allem Resultat einer digital optimierten Systemsteuerung: Züge haben sich dank kommunikationsbasierter Kontrolltechnologie (CBTC) gegenseitig im Blick und können deshalb im engeren Bremswegabstand durch die Tunnel fahren. Netzweit koordinierte Brems- und Beschleunigungsvorgänge gleichen Spitzenlasten beim Stromverbrauch aus, Datenanalysen ermöglichen permanente Optimierungen im laufenden Betrieb. 

Für Frankfurt und die VGF sind die Vorteile für die Stadtbahn aber nur die halbe Miete. Denn die unterirdisch realisierten Kapazitäts- und Effizienzgewinne sind schnell wieder verpufft, wenn die Stadtbahnen auf den oberirdisch verlaufenden Streckenabschnitten vom Verkehr ausgebremst werden. „Wenn wir an die Oberfläche kommen, brauchen wir eine vernetzte Infrastruktur, damit die Züge auch flüssig über die Kreuzungen kommen. Kooperative intelligente Verkehrssysteme – so genannte C-ITS – können das leisten, indem sie den ÖPNV oder Einsatzfahrzeuge an Ampeln bevorrechtigen. Deshalb gehen wir das jetzt an und arbeiten an einem Konzept, das die digitale Zugsicherung und C-ITS miteinander kombiniert“, erläutert Schmidt. 

Wie groß das Potenzial ist, zeigen die zahlreichen Projekte, die jüngst beim C-ITS-Forum von 150 Expert:innen diskutiert wurden: Moderne Kommunikationstechnologie befähigt Fahrzeuge dazu, untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur Daten auszutauschen, während definierte Standards sicherstellen, dass die vernetzten Verkehrsteilnehmer orts- und herstellerübergreifend die gleiche Sprache sprechen. Hamburg, Kassel oder Dresden gehören zu den Städten, die sich hierzulande schon auf den Weg gemacht haben. Sie testen die Technologie bereits im Rahmen des von der Europäischen Kommission geförderten Pilotprojekts „C-Roads Germany – Urban Nodes“.