Artikel: Auf Velo-Hochstraßen wie im Flug über die Stadt
Beim Bau von Radschnellwegen stockt es auch deshalb, weil unbebaute Flächen fehlen. Aufgeständerte Bike-Highways wie von URB-X könnten eine Lösung sein.
Nur rund 200 Meter lang ist die Demo-Strecke auf dem Smart City Lab-Gelände nahe des Bahnhofs Basel SBB. Doch das reicht, um Fantasien zu wecken. Mit dem Fahrrad-Highway aus Holzmodulen, aufgeständert aus Stahlstützen, ließe sich in dicht besiedelten Gebieten ein kreuzungsfreier Radverkehr verwirklichen. Schnell für Radler:innen, schnell auch im Bauprozess. Wenn die Stützen stehen, können in sequentieller Abfolge bis 250 Meter Strecke pro Woche erstellt werden, verspricht das Schweizer Start-up URB-X. Und auch das weckt Fantasie.
Fahrradschnellwege kommen in Deutschland nur schleppend voran. Klar ist, dass sie den Radverkehr attraktiv machen und Pendler:innen weg vom Auto und in den Sattel locken können. Vom übrigen Verkehr getrennt, müssen Radschnellwege nach den Förderkriterien des Bundes komfortabel ausgebaut und mindestens zehn Kilometer lang sein sowie ein Potenzial von mindestens 2.000 Radfahrten pro Tag aufweisen. Planungen und konkrete Vorhaben gibt es zwar überall. Doch nirgends ist man weit gekommen, wie beispielhaft der „Radschnellweg Ruhr“ (RS 1) zeigt. Das bundesweite Pionier- und Vorzeigeprojekt soll künftig das Ruhrgebiet auf mehr als 100 Kilometern in Ost-West-Richtung erschließen. Ende 2015 wurden die ersten fünf Kilometer eingeweiht. Acht Jahre später addierten sich die fertiggestellten Einzelabschnitte auf gerade mal 17 Kilometer, zählte der WDR im November 2023 nach. Anderswo sieht es nicht besser aus. Als in Hessen 2018 der Startschuss für den Radschnellweg zwischen Darmstadt und Frankfurt fiel, hielt man eine Fertigstellung bis 2022 für möglich. Tatsächlich gibt es bis heute nur einzelne, wenige Kilometer lange Abschnitte.
Wo Planung und Bau stocken, spielen viele Gründe eine Rolle – langwierige Beteiligungsverfahren, auch finanzielle Fragen, die durch die im Sommer 2023 angekündigten Kürzungen bei der Radwege-Kofinanzierung durch den Bund nicht weniger werden. Zu den wichtigen Faktoren zählt aber auch, dass in dicht besiedelten Gebieten der Raum knapp und oft anderweitig vergeben ist. In Ballungsräumen gebe es praktisch keine unbebauten oder unbenutzen Schneisen, in die man Radwege lege könne, beklagt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer. Ein Dilemma, das man auch in Baden-Württemberg kennt. Der aufgeständerte Bike-Highway aus der Schweiz könnte eine Lösung sein, fanden Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landesverkehrsminister Winfried Hermann, als sie 2022 das Baseler Startup URB-X besuchten. „Wenn wir in die Höhe gehen, wäre das Problem gelöst“, so Hermann. Zwar sei eine solche Lösung teurer als eine ebenerdige Trasse. Aber man brauche sie ja auch nur dort, wo sonst Platz fehlt.
Vorbilder für Radwege auf Stelzen gibt es bereits. So schlängelt sich in Kopenhagen seit 2014 die stählerne „Cycelslangen“ durch das innere Hafengebiet. In Xiamen in China bringt es der „Bicycle Highway“ auf eine Länge von rund acht Kilometern. Das Besondere am Konzept aus der Schweiz sind vor allem die Modulbauweise und der ökologische Baustoff. URB-X beziffert die Kosten für einen Kilometer Velo-Hochstraße auf zwei bis zweieinhalb Millionen Euro. Nicht enthalten sind die Stützen sowie die Auf- und Abfahrten. Eine in den Fahrbahnbelag integrierte Heizung macht den Winterdienst überflüssig, die ohnehin gute Klimabilanz durch die Verwendung von Holz als Baustoff wird durch Photovoltaik-Module in den Geländern noch verbessert. An einer echten Referenzstrecke fehlt es URB-X zwar noch, aber einen strategischen Investor hat man gefunden: Ende September verkündete ein Unternehmen der Holzindustrie, die österreichische Hasslacher-Gruppe, ihren Einstieg. „Unser Fokus liegt nun darauf, unser Produkt in ganz Europa für die ersten Projekte bekannt zu machen“, sagt Klaus Kirchmayr, CEO von URB-X.
Dass der potenzielle Markt mehr als eine Nische ist, darf man unterstellen. Acht Projekte stehen allein in NRW auf der Liste, in Baden-Württemberg möchte man bis 2030 insgesamt 20 Radschnellwege umsetzen. Und in Bayern bestehen Planungen für den Großraum Nürnberg sowie für München, wo ein sternförmiges Netz aus dem Umland in die Innenstadt vorgesehen ist. Der Baustart für die ersten Kilometer fand im Sommer bei Garching statt.