Artikel: City Logistik: Nächster Halt „Reallabor“
Kommen Päckchen künftig emissionsfrei mit der Straßenbahn? Karlsruhe und Frankfurt arbeiten an Lösungen, verfolgen aber grundverschiedene Ansätze.
Stell Dir vor, Du sitzt in der Straßenbahn, ein Roboter mit ein paar Paketen im Gepäck steigt ein und nach ein paar Haltestellen wieder aus, um die Sendungen auszuliefern – und die Leute um Dich herum schauen nicht einmal hin. Geht es nach den Macher:innen des regioKArgo-Projekts, könnte der Alltag in Karlsruher Straßenbahnen in einigen Jahren so oder zumindest so ähnlich aussehen.
Federführend in dem Projektkonsortium ist die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft AVG. Sie betreibt eine Zweisystem-Stadtbahn, die Straßenbahnstrecken in der Stadt mit Eisenbahnstrecken im Umland kombiniert und Logistikkonzepte ermöglichen könnte, die Stadt und Region integrieren. „Für effektiven Klimaschutz braucht es neue Ansätze, die in der Fläche Wirkung zeigen. Personen und Waren auf bereits vorhandener Infrastruktur gemeinsam zu bewegen, ist der Lösungsansatz“, verspricht das Konsortium auf seiner Website.
Die Zuversicht ist nicht aus der Luft gegriffen: Transportkonzept und IT-Lösungen wurden bereits in Vorgängerprojekten entwickelt, nun soll sich der kombinierte Personen- und Warentransport in Straßenbahnwagen samt automatisierter Be- und Entladung im Reallabor bewähren. Dabei steht vor allem die KI-basierte Regelung zum positionsgenauen Halt der Stadtbahnen im Fokus, damit Lieferroboter und Lastenradanhänger zügig hinein- und wieder heraus kommen. In drei Jahren soll das Konzept erstmals live und in Farbe vorgeführt werden.
Derweil liefert Frankfurts „LastMileTram“ schon die ersten Pakete von Amazon aus: Bereits seit 6. September befördert die sogenannte Gütertram im Rahmen eines zunächst einmonatigen Testlaufs Päckchen und Pakete vom Stadtrand in die Frankfurter Innenstadt. Wie in Karlsruhe auch, geht es in dem Pilotprojekt darum herauszufinden, wie die Straßenbahn zu einer lokal emissionsfreien Paketzustellung beitragen kann.
Anders als in Karlsruhe setzt man hier aber nicht auf eine automatisierte Lösung, sondern auf eine emissionsfreie dreistufige Lieferkette: Amazon befördert die Pakete mit elektrisch betriebenen Transportern vom regionalen Verteilzentrum zu einer Tram-Station der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Stadtrand. Dort werden die Sendungen in die Güterstraßenbahn umgeladen, an verschiedene Depots gebracht und anschließend mit elektrisch betriebenen Lastenrädern ausgeliefert. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).
„Unsere bisherigen Simulationsergebnisse zeigten, dass der dreistufige Prozess gegenüber der herkömmlichen einstufigen Belieferung ökonomische wie auch ökologische Vorteile erzielen kann. Mit einem Belieferungskonzept wie im Projekt ‚LastMileTram‘ können wir die in den vorangegangenen Projektabschnitten gewonnenen Erkenntnisse und Prozesse endlich im Realbetrieb erproben und optimieren“, erläutert Projektleiter und Hochschulpräsident Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt UAS.
Auf die Ergebnisse ist Frankfurts Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert schon jetzt gespannt. „Wir freuen uns auf die wissenschaftliche Analyse der Frankfurt UAS, um den Nutzen des Pilotprojektes sachlich und differenziert bewerten zu können. Paketdienste auf die Schiene zu verlagern, schafft mehr Raum auf der Straße. Zudem ist der Wirtschaftsverkehr ein wichtiger Stellhebel, um die Emissionen im Verkehrssektor zu senken.“