Ersatzverkehr in Purpur hält die Fahrgäste im System

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21. Mai 2024, 10:16 Uhr

Artikel: Ersatzverkehr in Purpur hält die Fahrgäste im System

Wenn statt Zügen Busse fahren, droht die Kundschaft abzuwandern. Geht das auch anders? Es muss, sagen Felix Thielmann und Jan Cyrullies von DB Regio Straße.

Der Ersatzverkehr kommt ins Spiel, wenn statt Zügen planmäßig Busse fahren müssen. Bei den Fahrgästen sind Ersatzverkehre wenig beliebt, Verkehrsunternehmen tun sich damit schwer. Mit dem Programm „Neuer Ersatzverkehr“ geht DB Regio Straße neue Wege. Geleitet wird das Programm von Jan Cyrullies, gemanagt von Felix Thielmann.  

Zukunft Nahverkehr: Herr Cyrullies, Herr Thielmann, Ersatzverkehre sind ein schwieriges Terrain. Warum geht DB Regio Straße ein Thema an, bei dem es bislang wenig zu gewinnen gibt?  

Jan Cyrullies: Weil die Branche sonst viel zu verlieren hat. Den Ersatzverkehren hat man in der Branche wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie eben nur ein Ersatz sind, den man möglichst nicht braucht, und weil die Qualität immer wieder Anlass zu berechtigter Kritik gibt. Aber das kann so nicht bleiben. Wir haben immer mehr Baustellen im Schienennetz und damit auch immer mehr Ersatzverkehre. Vor allem haben wir ganz andere Baustellen. In den nächsten Jahren kommen mit der Generalsanierung des Netzes monatelange Vollsperrungen der wichtigsten Korridore auf uns zu. Wir brauchen Ersatzverkehre auf einem guten Qualitätsniveau, damit möglichst keine Fahrgäste dauerhaft auf ihr privates Auto umsteigen. Das ist ein echtes Risiko.  

Zukunft Nahverkehr: Sie haben ein Konzept entwickelt, damit das nicht passiert. Die Signalfarbe dafür ist Verkehrspurpur. Ein ziemlich selbstbewusster Auftritt … 

Felix Thielmann: Es geht nicht um Selbstbewusstsein, sondern um die Fahrgäste. Ersatzverkehre sind im Grunde immer eine Zumutung. Wenn die Fahrgäste am Ende sagen, dass es gar nicht so schlimm und vielleicht sogar ganz gut war, dann haben wir was richtig gemacht, dann haben wir was gekonnt. 

Jan Cyrullies: Verkehrspurpur ist vor allem aufmerksamkeitsstark und hilft den Fahrgästen bei der Orientierung. Wir kommunizieren damit aber auch definierte Produktmerkmale. Das betrifft die Busse, die Wegeleitung, die Reisendenlenkung, die Ausstattung der Haltestellen, die Informationssäulen für die Echtzeitinformation der Reisenden und vieles mehr.  

Zukunft Nahverkehr: Im vergangenen Sommer haben Sie das Konzept bei einer Vollsperrung zwischen Würzburg und Nürnberg erprobt, bei der Sperrung der Riedbahn Frankfurt a. M. – Mannheim im Januar wurde es ebenfalls umgesetzt. Welches Zwischenfazit ziehen Sie, bevor die Riedbahn ab Juli und dann für fünf Monate gesperrt wird?  

Felix Thielmann: Die Kundenzufriedenheit ist erfreulich hoch, höher als wir gehofft und erwartet hatten. Das war schon im letzten Sommer auf der Strecke Würzburg – Nürnberg so und hat sich bei der ersten Riedbahnsperrung bestätigt. Der Riedbahn-Ersatzverkehr ist extrem anspruchsvoll. Im Januar war unserer Flotte, die wir ganz neu beschafft haben, noch nicht komplett. Deshalb mussten wir auch Subunternehmer beauftragen. Bei der Sperrung ab Juli wollen wir ausschließlich unsere eigenen 150 Busse einsetzen. Das bedeutet dann noch einmal eine Verbesserung, weil wir damit ein einheitliches Qualitätslevel erreichen.  

Zukunft Nahverkehr: Das tägliche Geschäft von Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern sind allerdings nicht monatelange Sperrungen großer Verkehrsachsen. Was vom Konzept des neuen Ersatzverkehrs ist übertragbar auf die kleineren Baustellen im Streckennetz?    

Jan Cyrullies: Theoretisch alles, wenn der zeitliche Vorlauf groß genug ist. Die Aufgabenträger spiegeln uns auch ihr Interesse, zumindest einzelne Bausteine des Konzepts zu übernehmen. Das steht dann allerdings unter dem Vorbehalt der Finanzierung. Konventionelle Ersatzverkehre unterliegen den laufenden Verkehrsverträgen. Da sind sie zumeist nur rudimentär geregelt und so ist dann oft auch der Standard der Verkehre. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Beauftragung je nach Baustelle kurzfristig erfolgt und ohne ausreichenden Planungsvorlauf fast ausschließlich Subunternehmen eingesetzt werden können. Zusammengenommen erklärt das zum großen Teil die verbreitete Unzufriedenheit mit konventionellen Ersatzverkehren.  

Felix Thielmann: Im Sinne der Fahrgäste ist zu hoffen, dass sich hier nach und nach die Rahmenbedingungen ändern. Wir zeigen ja, dass es auch anders geht und hoffen, dass unser Ansatz ausstrahlt und die Tür dafür öffnet. 

Zukunft Nahverkehr: Aber bei den Korridorsanierungen hängen die Ersatzverkehre auch an der Frage der Finanzierung …   

Jan Cyrullies: Aber was wäre denn die Alternative? Die Generalsanierung des Streckennetzes ist dringend notwendig und ohne Ersatzverkehre nicht denkbar. Und gerade bei der Generalsanierung an den Kosten für Ersatzverkehre zu sparen, die die berechtigten Erwartungen der Fahrgäste erfüllen, wäre sicher der falsche Ansatz. Wie gesagt: Es geht darum, die Kundinnen und Kunden im Sinne unserer DB-Strategie der Starken Schiene im klimafreundlichen Nahverkehr zu halten. Wenn das allen Beteiligten klar ist, wird es auch eine Lösung geben.  

Am 5. Juni bietet DB Regio Straße einen „Impuls-Nugget“ zum Thema Ersatzverkehr an. Die virtuelle Session mit Felix Thielmann dauert 30 Minuten. Weitere Informationen und den Link zur Anmeldung finden Sie hier.