Für den Flow im Radverkehr

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28. November 2024, 10:24 Uhr

Artikel: Für den Flow im Radverkehr

Die „Grüne Welle“ an Ampelanlagen macht Radfahren schneller und attraktiver. Mit den Projekten „PrioBike“ und „Leezenflow“ sind Hamburg und Münster vorn dabei.

Blöd, wenn die Ampel rot zeigt. Noch blöder, wenn man mit dem Rad unterwegs ist, absteigen und wieder anfahren muss. Städte, die das Fahrrad als Teil ihrer Mobilitätsstrategie begreifen, arbeiten deshalb an der „Grünen Welle“ im Radverkehr. Die technischen Lösungen sind unterschiedlich. Infrage kommen zum Beispiel Apps wie „Signal2X“ oder „Traffic Pilot“, die Fahrempfehlungen geben, damit die Radfahrenden ihr Tempo der Ampelschaltung anpassen können. Smarter und komfortabler sind Apps, die die Ampelschaltung beeinflussen. Herannahende Radler:innen bekommen dann Vorrang, wenn die Verkehrslage es zulässt.  

Der Haken an beiden Varianten: Sie nutzen nur dort etwas, wo Ampeln und Apps miteinander kommunizieren. Das ist nur in manchen Städten und hier auch oft nur teilweise der Fall. Ganz ohne App kommen Systeme aus, die Fahrräder an Ampelkreuzungen automatisch erkennen und ihnen je nach Verkehrslage freie Fahrt gewähren. Nützlich sind sie dort, wo Velorouten stark befahrene Verkehrsknotenpunkte queren. Projekte mit automatisierter Fahrraderkennung und dynamischer Ampelschaltung gibt es aktuell beispielsweise in Bocholt, Oldenburg und Kiel.  

Vorzeigestadt bei der Digitalisierung des Radverkehrs ist derzeit allerdings Hamburg. Dort läuft noch bis zum Jahresende das Förderprojekt „PrioBike-HH“ mit einem Volumen von mehr als acht Millionen Euro. Unter dem PrioBike-Dach setzt die Hansestadt unterschiedliche Ansätze um. Auf stark frequentierten Routen ist die Ampelschaltungen als grüne Welle für den Radverkehr programmiert. An ausgewählten Knotenpunkten testet das Projekt auch die Umkehrung der üblichen Ampelpriorisierung: Der Kfz-Verkehr fordert die Grünphase an, nicht der Rad- oder Fußverkehr. Eine App mit Fahrempfehlungen für Radfahrende gehört ebenfalls zum Portfolio. Hamburg hat dazu ein System aufgebaut, das Daten an den Ampelanlagen erfasst und bereitstellt. Gegenwärtig sind bereits mehr als 5.000 Ampeln angebunden.  

Auf bestimmten Strecken setzt PrioBike zudem auf Fahrempfehlungen mit Lichtzeichen. Ob es sich lohnt, in die Pedale zu treten oder man besser ausrollen lassen sollte, zeigen in den Asphalt eingelassene LED-Lauflichter an. Das System greift dafür auf Prognosedaten einer Roadsite Unit (RSU) zu. Den gleichen Zweck wie die Lauflichter erfüllt die „PrioBike-Säule“: Anhand der Geschwindigkeit der Radfahrenden und der Zeit bis zur nächsten Grünphase der Ampel berechnet die Säule eine individuelle Tempoempfehlung.   

Eine Lösung, die andere Kommunen nachbauen können, hat die deutsche Fahrradhauptstadt Münster entwickelt. Dort heißen Fahrräder „Leezen“ und das System folgerichtig „Leezenflow“. Anzeigegeräte an wichtigen Velorouten signalisieren mit Farbverläufen die optimale Geschwindigkeit. Das System nutzt für die Kommunikation zur Ampel eine als Vehicle-to-everything (V2X) bezeichnete Technik, die entwickelt wurde, damit zum Beispiel Busse und Rettungsfahrzeuge Kontakt zu Ampel und Infrastruktur aufnehmen können. Bei der Berechnung des Farbverlaufs verschneidet das System die Ampelprognosedaten mit den Durchschnittsgeschwindigkeiten des Radverkehrs, die bei Fahrradprojekten in Münster an den jeweiligen Standorten aufgezeichnet wurden. 

Die Idee zum Leezenflow stammt aus der Bürgerschaft. Im „Münsterhack 2019“ wurde sie weiterentwickelt, danach mithilfe der Stadtverwaltung umgesetzt und als „Smart City“-Projekt gefördert. Dass Leezenflow den Radfahrkomfort verbessert, hat sich inzwischen über Münster hinaus herumgesprochen. „Wir freuen uns, dass andere Kommunen Interesse am Nachbau des Leezenflows haben. Gerne sollen sie von unseren Erfahrungen lernen und abgucken, denn so funktioniert Smart City“, sagt Thomas Terstiege, Projektleiter bei der Stabsstelle Smart City der Stadt Münster. Die Bauanleitung steht als Open-Source- Software kostenlos zur Verfügung. Den Link dazu findet man auf www.leezenflow.de