Laufen statt fahren hat seit Corona Konjunktur

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03. Juli 2024, 13:15 Uhr

Artikel: Laufen statt fahren hat seit Corona Konjunktur

Die Fortbewegung auf zwei Beinen ist die natürlichste aller Mobilitätsalternativen. Fußverkehr-Checks helfen, damit sie nicht unter die Räder gerät.

Mit dem Auto die Brötchen holen? In Nürnberg eher nicht. Dort hat die städtische Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) ermittelt, dass die Bürger:innen ihre täglichen Wege immer öfter zu Fuß statt mit dem Auto zurücklegen. Die aktuelle Befragung zum Mobilitätsverhalten ergab, dass 2023 insgesamt 30 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt wurden. 2019 waren es noch 24 Prozent. Auf 32 Prozent zurückgegangen ist dagegen die Nutzung des Autos, die 2019 noch bei 38 Prozent gelegen hatte. Dazu passen laut VAG die Ergebnisse von Verkehrszählungen im Straßenverkehr: Der Autoverkehr in der Stadt und auch in den Außenbezirken habe klar abgenommen. 

Eine Entwicklung wie in Nürnberg würden sich viele Städte wünschen. Zwar hat die EU bereits 1988 die „Europäische Charta für den Fußverkehr“ verabschiedet. Auch in der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ von 2007 spielt der Fußverkehr eine wichtige Rolle. Zwischen Theorie und Praxis klafft jedoch häufig eine Lücke: Der Verkehr zu Fuß gerät leicht unter die Räder. Er werde, wie das Umweltbundesamt kritisiert, „zu einer Restgröße, bedrängt durch die Platzansprüche des motorisierten Verkehrs, des ruhenden Verkehrs (parkende Fahrzeuge), des Radverkehrs, durch Beschilderungen und diverse Sondernutzungen auf Gehwegen.“ Dem entspricht, dass in den Verkehrsstatistiken die natürlichste aller Mobilitätsalternativen nur am Rande eine Rolle spielt. Auf die Mobilität zu Fuß entfielen laut „Verkehr in Zahlen“ im Jahr 2021 gerade vier Prozent der zurückgelegten Personenkilometer.  

Über die tatsächliche Bedeutung des Fußverkehrs sagt das allerdings wenig aus. Wer zu Fuß unterwegs ist, legt zwar meist nur kurze Entfernungen zurück, tut dies aber häufig.  So wurden laut Verkehr in Zahlen 2021 fast ein Viertel aller Wege auf zwei Beinen absolviert. Zwei Jahre zuvor, also vor der Corona-Pandemie, waren es gut zwei Prozentpunkte weniger. In den Verhaltensänderungen durch die Coronazeit sieht man auch in Nürnberg eine Erklärung für die Renaissance der Fortbewegung zu Fuß. Die VAG führt dies vor allem darauf zurück, dass immer mehr Menschen von zu Hause arbeiten. Damit entfällt nicht nur die Fahrt zur Arbeit, auch Besorgungen werden vermehrt im näheren Umfeld und zu Fuß erledigt.  

Nürnberg als eine Stadt der kurzen Wege lädt dazu auch förmlich ein. Anderswo sind die Voraussetzungen weniger gut und es muss nachgeholfen werden. In Frankfurt a. M. tut dies seit Februar Gladys Vasquez Fauggier als Fußgängerbeauftragte im Mobilitätsdezernat. „Jeder, der in Frankfurt läuft, sollte das gerne tun und sich dabei sicher fühlen“, sagt die Architektin und Stadtplanerin. „Die Menschen sollten mehr und längere Wege zu Fuß gehen.“ Aktuell bereitet sie die Ausschreibung der Teilstrategie Fußverkehr im Rahmen des städtischen Masterplans Mobilität vor. Damit will Frankfurt a. M. den Anteil des Fußverkehrs in den nächsten Jahren auf 29 Prozent steigern.  

Fußverkehrs-Checks sind ein weiteres Mittel, um eine fußgängerfreundliche kommunale Verkehrsplanung zu unterstützen. Vom Land finanziert, sind Fußverkehrs-Checks in Baden-Württemberg bereits seit 2015 eine Erfolgsgeschichte. Inzwischen gibt es sie auch in weiteren Bundesländern, etwa in Bremen sowie in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen, wo die Aufgabenträger im SPNV die Profiberatung umsetzen. In Nordrhein-Westfalen fungiert der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) als Koordinierungsstelle, in Niedersachsen organisiert die Landenahverkehrsgesellschaft LNVG in diesem Jahr erstmals Fußverkehrs-Checks. „Fußgänger sind in der Vergangenheit in Verkehrskonzepten oft vergessen worden“, sagt der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies und betont: „Gehwege dürfen nicht länger durch Parkplätze, Masten, Stromkästen und Werbeschilder immer schmaler werden.“ Für den VRR stellt Vorstandssprecher Oliver Wittke heraus, dass die Fahrgäste in Bussen und Bahn vor und nach der Fahrt in der Regel laufen: „Ohne Fußweg kein ÖPNV und andersrum.“ 

Professionell vorbereitete und begleitete Fußverkehr-Checks sind begehrt. Wo die Länder sie etabliert haben, übersteigt die Nachfrage regelmäßig das Angebot. Wenn Kommunen dabei nicht zum Zug kommen oder es vor Ort das Angebot nicht gibt, bieten sich Checks in Eigenregie an. Einen Baukasten dafür hat der Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.) entwickelt. Eine Website einschließlich der Möglichkeit,  eine Broschüre zum Thema herunterzuladen, gibt Einblick in Formate und Methoden.

Ausführlich widmet sich auch der „Mobilitätsreport“, den DB Regio in Kooperation mit dem Wirtschaftsmagazin brand eins veröffentlicht hat, dem Thema Fußverkehr.  Kostenfrei und unverbindlich gibt es den Mobilitätsreport über diesen Link.