Métro Paris schlägt neues Kapitel auf

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19. März 2024, 15:58 Uhr

Artikel: Métro Paris schlägt neues Kapitel auf

Die Stadt der Liebe erweitert ihr Metronetz und setzt auf automatisierte U-Bahnen. Kürzere Abstände erhöhen die Kapazität, Ringbahnen entlasten den Engpass im Zentrum.

Die Wege in Paris sind weit und das Verkehrsnetz stößt regelmäßig an die Grenze seiner Belastbarkeit. 68 Minuten pendelt der Pariser:innen im Durchschnitt pro Tag. Unter dem Stichwort „Grand Paris Express“ soll der öffentliche Nahverkehr bis 2030 grundlegend modernisiert und nachhaltiger werden. Dabei nehmen selbstfahrende Züge eine Schlüsselrolle ein, wie die Metrolinie 4 zeigt. Sechs Jahre hat es gedauert, um die Strecke mit dem zweitgrößten Fahrgastaufkommen in der französischen Hauptstadt vollständig zu automatisieren. Seit Ende Dezember 2023 pendeln etwa 50 Züge führerlos die 14 Kilometer lange Nord-Süd-Verbindung. Nach den Linien 1 und 14 ist es die dritte fahrerlose U-Bahn-Linie in Paris. Als nächstes folgt die Linie 13. 

Durch die Automatisierung verkürzt sich der Abstand zwischen zwei einfahrenden Zügen um zehn Sekunden. Statt wie bisher alle 120 Sekunden, fahren Züge nun alle 100 Sekunden eine Station an. In Zukunft erhofft man sich in der Metropole einen noch engeren Takt. „Wir sind in der Lage, den Abstand zwischen zwei Pendelzügen auf bis zu 85 Sekunden zu senken, was bei Zügen mit Fahrern aus Sicherheitsgründen nicht möglich wäre", sagt Cyril Condé, der beim staatlichen Betreiber des ÖPNV im Großraum Paris (RATP) die Automatisierung der Linien verantwortet.  

Darüber hinaus sollen die automatisierten Systeme und moderne U-Bahnen den Stromverbrauch um ein Viertel senken. Da die täglich mehr als 700.000 Fahrgäste auf Linie 4 ohne Zugführer ihr Ziel erreichen, werden etwa 300 Fahrer ab sofort auf anderen Strecken eingesetzt und helfen den Personalmangel abzufedern, erklärt der ehemalige Premierminister und heutige RATP-Chef, Jean Cartex.  

Für den Umbau an der Metrolinie 4 mussten alle 29 Stationen mit Bahnsteigtüren ausgestattet werden. Siemens Mobility stellte neben den digitalen Kommunikationssystemen auch die für die Automatisierung erforderliche CBTC-Signaltechnik (Communication-Based Train Control) bereit. Die Gesamtkosten in Höhe von 480 Millionen Euro trägt Île de France mobilités, die Regulierungsbehörde für den Verkehr in der Region Paris.  

Mit mehr als 12,5 Millionen Einwohnern ist der Großraum Paris die größte Metropolregion der Europäischen Union. Ein Großteil der Menschen aus den Vororten pendelt werktags in die Stadt, die mit 21.000 Einwohnern je Quadratkilometer viermal so dicht bevölkert ist wie London oder München. Durch das Projekt „Grand Paris Express“ wird die Streckenlänge des Bestandsnetzes bis 2030 um 200 Kilometer erweitert und nahezu verdoppelt. Hinzu kommen 68 Bahnhöfen sowie die vier neuen, ebenfalls fahrerlosen Linien 15, 16, 17, und 18. 

Auch in Deutschland steigen die Investitionen in die Basistechnik für die Zugautomatisierung. „Das Geschäft mit digitaler Leit- und Sicherungstechnik, die eine Vorbedingung für fahrerloses Fahren bildet, zieht merklich an“, sagt Axel Schuppe, Geschäftsführer des Verbands der Bahnindustrie. Pionier ist Nürnberg. Seit 2008 fahren auf der neugebauten Stammstrecke der U3 ausschließlich führerlose Bahnen – und das im 100-Sekunden-Takt. Auch in Hamburg soll die neue U5 ab 2029 ohne Personal im Führerstand auskommen. Ähnliche Überlegungen gibt es in Berlin, München und Frankfurt am Main.