SMILE24 macht vor wie‘s geht

Zum Inhalt springen
04. Februar 2025, 09:47 Uhr

Artikel: SMILE24 macht vor wie‘s geht

Integrierte Mobilität bringt Ferienregionen voran. Es sollte viel mehr davon geben, sagt Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes.

Zukunft Nahverkehr: Die Jury des Deutschen Tourismuspreises muss auf ein Projekt wie SMILE24 förmlich gewartet haben. Immerhin hat Ihr Verband, der den Preis vergibt, schon 2014 in einem Positionspapier mehr umweltfreundliche Mobilitätsangebote in Urlaubsgebieten gefordert …  

Norbert Kunz: Das Positionspapier steht hier bei mir im Büro und SMILE24 ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine Vision vor Ort Realität werden kann. SMILE24 ist nicht nur ein singuläres Angebot, sondern ein umfassendes Konzept, um die Mobilität im Urlaubsgebiet nachhaltiger zu gestalten. Es zeigt, dass es möglich ist, den Urlaubsanspruch der Gäste mit den Zielen des Umweltschutzes zu verbinden. Aus Sicht der Jury des Deutschen Tourismuspreises ist das ein sehr, sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung.  

Zukunft Nahverkehr: Das klingt nach einer einhelligen Entscheidung …  

Norbert Kunz: Das bleibt ein Geheimnis, es herrscht Schweigepflicht. Aber am Ende steht bei einer Jury-Sitzung immer ein klares Ergebnis. 

Zukunft Nahverkehr: Zum Projekt SMILE24 gehören Expressbusse und saisonierte Urlaubslinien, On-Demand-Shuttles, Bike- und Carsharing. Der Augsburger Tourismusdirektor Götz Beck hat das kürzlich mit Blick auf den Großraum München und Augsburg als Vorbild auch für andere Destinationen bezeichnet. Sie auch?  

Norbert Kunz: Wir sehen das genauso. Aus unserer Sicht ist SMILE24 ein Leuchtturmprojekt mit Vorbildcharakter. Es kann als Blaupause dienen und wir hoffen, dass es viele Nachahmer findet. Eins zu eins übertragen lässt sich SMILE24 vermutlich nicht, jede Region ist ja anders. Aber was das Projekt so spannend macht ist das Ziel, im ländlichen Raum ein Mobilitätsangebot auf einem Niveau zu schaffen, wie man es sonst im städtischen Umfeld hat. Von SMILE24 kann man lernen, wie man ein ganzheitliches Mobilitätskonzept umsetzt, das verschiedene Verkehrsmittel miteinander verknüpft, und wie man eine Kooperation von Tourismusbranche, Kommunen und Verkehrsunternehmen etabliert, damit ein solches Projekt erfolgreich ist.   

Zukunft Nahverkehr:  Viele Urlauberinnen und Urlauber erwarten Nachhaltigkeit und intakte Natur, reisen aber trotzdem mit dem Auto an. Liegt das an fehlenden Mobilitätsangeboten oder auch an festgefahrenen Gewohnheiten?  

Norbert Kunz: Das ist sicherlich ein bunter Mix aus vielen Problemen. Richtig ist, dass der Urlaub in Deutschland überwiegend mit dem eigenen Auto angetreten wird. Aber wir stellen zunehmenden den Wunsch fest, am Ziel nachhaltig mobil zu sein. Das kann ein Leihfahrrad oder auch das mitgebrachte Fahrrad sein, das kann der ÖPNV oder ein Carsharing-Elektroauto sein. Und genau da setzt ja SMILE24 an. Dass der ÖPNV den Tourismus stärkt und umgekehrt, ist allerdings an sich nicht neu. Das gibt es schon lange, etwa dort, wo Urlaubsgäste den ÖPNV mit Gästekarten kostenlos oder vergünstigt nutzen können.  

Zukunft Nahverkehr: SMILE24 kommt den Urlaubsgästen rund um die Schlei ebenso wie der einheimischen Bevölkerung zugute. Ist das ein Vorteil oder wären Konzepte besser, die sich klar auf eine Zielgruppe fokussieren?  

Norbert Kunz: Zielgruppenfokussierung ist grundsätzlich gut, in diesem Fall aber ganz klar nicht. Das Thema nachhaltige Mobilität betrifft die Feriengäste genauso wie die örtliche Bevölkerung. Wenn sich Mobilitätsangebote exklusiv an Urlaubsgäste richten, leidet am Ende die Akzeptanz des Tourismus. Wenn aber die Menschen vor Ort stolz sein können auf das Mobilitätsangebot in ihrer Region, dann ist das auch eine Visitenkarte für den Tourismusstandort: Seht her, was wir haben, bei uns seid ihr nachhaltig mobil!  

Zukunft Nahverkehr: Können Sie sich vorstellen, dass sich an der Finanzierung entsprechender Angebote auch die Tourismusorganisationen vor Ort oder der Bundesländer beteiligen?  

Norbert Kunz: Der Tourismus beteiligt sich vielfach bereits an der Finanzierung des ÖPNV. Das geschieht zum Beispiel mit umlagefinanzierten Gästekarten, die die Nutzung von Bus und Bahn beinhalten. Aber Sie haben völlig recht, wir müssen heute viel größer denken, damit Leuchtturmprojekte wie SMILE24 wachsen, größere Zusammenschlüsse und landesweite Lösungen entstehen.  

Zukunft Nahverkehr: Bestehen da konkrete Ansätze?  

Norbert Kunz: Gerade läuft für Brandenburg eine Studie, die nachhaltige Mobilität landesweit untersucht, einschließlich der Finanzierung. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse. Am Ende solcher Konzepte sollten Lösungen für ein gesamtes Bundesland oder eine sehr große touristische Region stehen.  

Zukunft Nahverkehr: Hat das Deutschlandticket den Deutschlandtourismus gepusht?  

Norbert Kunz: Auf jeden Fall. Das begann schon mit dem 9-Euro-Ticket am Ende der Corona-Zeit. So sind die Leute sind in Orte und Landschaften gekommen, die sie sonst nie entdeckt hätten. Das Deutschlandticket zielt zwar in erster Linie auf Pendlermobilität, ist aber auch für den Ausflugsverkehr eine geniale Sache. Wenn wir heute noch einmal ein Positionspapier zur nachhaltigen Mobilität schreiben würden, würden wir das Deutschlandticket klar unterstützen. Allerdings würden wir auch darauf hinweisen, dass das nur eine Seite der Medaille ist. In vielen ländlichen Gegenden, wo es nur morgens und abends den Schulbus gibt, ist die Angebotsqualität im ÖPNV einfach noch zu schlecht.  

Zukunft Nahverkehr: Welche Rolle müssen Nachhaltigkeit und nachhaltige Mobilität heute und in Zukunft im Wettbewerb der Destinationen spielen?  

Norbert Kunz: Aus unserer Sicht ist Nachhaltigkeit ein Schlüsselfaktor, auch im europäischen und internationalen Wettbewerb. Intakte Natur und bewahrte Landschaft machen Feriengebiete attraktiv. Das erwarten die Gäste, davon lebt der Tourismus. Die Herausforderung besteht darin, das für die kommenden Generationen zu erhalten.