Artikel: Schienenbus neu gedacht
On-Demand- und Linienverkehr 24/7: Wie das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt mit dem Konzept NGT-TAXI Nebenstrecken beleben will.
In den 1950er-Jahren galt der Schienenbus als „Retter der Nebenstrecken“. In diese Fußstapfen will nun das das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt mit dem „NGT TAXI“ treten – allerdings ganz anders. War der Schienenbus ein leichter und einfacher Triebwagen unter Verwendung von Industrie-Standardkomponenten, hat die DLR einen ganz neuen und visionären Fahrzeugtyp konzipiert. Die Abkürzung NGT, die für „New Generation Train“ steht und Technologien und Visionen für die Zukunft des Schienenverkehrs zusammenfasst, hält, was sie verspricht.
NGT-TAXI denkt den Nahverkehr auf schwach ausgelasteten Nebenstrecken von zwei Seiten her neu. Betrieblich beinhaltet das Konzept nicht nur den ÖPNV nach Fahrplan, sondern auch den On-Demand-Verkehr auf der Schiene. Dass Züge die Fahrgäste auf Bestellung abholen, wie es sonst nur Shuttles im ÖPNV auf der Straße tun, ist dabei ein echtes Novum. Fahrzeugtechnisch setzt NGT-TAXI auf Modularität, Automatisierung sowie selbstverständlich auf lokal emissionsfreien Batterie- oder Brennstoffzellenantrieb.
Betriebliche Einsatzszenarien und Fahrzeugkonzept greifen eng ineinander. Ziel von NGT-TAXI ist es, schwankende Nachfrage mit exakt dafür konfigurierten Zugeinheiten wirtschaftlich und für die Fahrgäste attraktiv zu bedienen. Durch die Kombination des Linienverkehrs nach Fahrplan und des On-Demand-Verkehrs steht der ÖPNV im Idealfall rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung. Für Nebenstrecken im ländlichen Raum, die oft nur im Ein- oder Zweistundentakt sowie in den Nachtstunden und mitunter auch an den Wochenenden gar nicht bedient werden, wäre das ein Riesenschritt.
Die dafür nötigen modularen Züge wollen die Forschenden des DLR auf Basis eines Triebwagens verwirklichen, der in der kürzesten Variante knapp zehn Meter lang wäre und zwölf Sitzplätze bieten würde. Durch Einfügen von bis zu vier identischen Segmenten kann er verlängert werden. In der längsten, rund 17,5 Meter langen Variante hätte der Zug 54 Sitzplätze. Weil die Züge automatisiert fahren sollen, wären an den Enden keine Führerstände erforderlich. Untereinander sollen sie virtuell gekuppelt werden und im Verbund unterwegs sein können. Die fahrzeugtechnische Ausrüstung und die Leit- und Sicherungstechnik will die DLR von der Infrastruktur abhängig machen, die die Züge befahren. Die Vollausstattung wäre notwendig, wenn NGT-TAXI im konventionellen Eisenbahnverkehr mitschwimmen muss. Für Inselstrecken ohne Kontakt zum restlichen Eisenbahnnetz kämen nach dem Konzept der DLR auch angepasste Lösungen infrage.
NGT-TAXI ist ein visionäres Konzept. Wie zuvor bereits für den Güterverkehr (NGT Cargo), den Regionalverkehr (NGT LINK) und den Hochgeschwindigkeitsverkehr (NGT HST) hat die DLR mit ihrem Entwurf für den Nahverkehr auf Nebenstrecken weit in die Zukunft gedacht. Wie es um die Realisierbarkeit bestellt ist, darüber können sich die Besucherinnen und Besucher der InnoTrans vom 24. bis 27. September in Berlin ein Bild machen. Die DLR ist auf der Messe vertreten und präsentiert das NGT-TAXI-Konzept in Halle 2.2 (Stand 440).
Erste Schritte in Richtung Umsetzung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedenfalls schon unternommen. So informierte die DLR im Frühjahr in Helmstedt über die Möglichkeiten eines autonomen Bahnbetriebs. Anlass war das Flözerfest am Lappwaldsee. Die an dem ehemaligen Braunkohlentagebau entlangführenden Gleise würden sich aus Sicht der DLR gut als Teststreck eignen.