Wir bauen (k)eine Stadtbahn!

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17. Juni 2024, 08:34 Uhr

Artikel: Wir bauen (k)eine Stadtbahn!

Tram ja oder nein? Bürgerentscheide polarisieren. In Erlangen fand sich am 9. Juni eine Mehrheit für ein zukunftsweisendes ÖPNV-Projekt. In Regensburg nicht.

Es stand Spitz auf Knopf, aber nun kann das derzeit größte deutsche Stadtbahnprojekt kommen. Mit 52,4 Prozent votierten die Bürger:innen in Erlangen beim Entscheid am 9. Juni für die Stadt-Umland-Bahn (StUB). Die rund 26 Kilometer lange StuB wird die Städte Herzogenaurach und Erlangen an die bestehende Nürnberger Stadtbahn anschließen. Damit entsteht eine städteübergreifende Tram für die Metropolregion Nürnberg, die die S-Bahn ergänzt. In Erlangen erhalten die Innenstadt, der Siemens-Campus sowie verschiedene Schul- und Universitätsstandorte eine leistungsfähige ÖPNV-Anbindung im Zehn-Minuten-Takt, in Herzogenaurach profitieren besonders die Beschäftigten der Großunternehmen Puma, Schaeffler und Adidas. In beiden Städten werden zudem viele Wohngebiete angeschlossen. Trotzdem war das Projekt stark umstritten.  

Bürgerentscheide zur StUB hat es schon einige gegeben. Die ersten Überlegungen für eine städteverbindende Tram stammen aus den 1980er-Jahren. In den 1990er-Jahren konkretisierte sich das Vorhaben, aber als daraus 2015 ein Zweckverband entstehen sollte, schieden sich die Geister. In Erlangen votierte die Mehrheit für die StUB, im Landkreis Erlangen-Höchstadt war die Mehrheit dagegen – mit der Folge, dass sich Herzogenaurach ohne den Landkreis dem 2016 gegründeten Zweckverband mit Erlangen und Nürnberg anschloss. Inzwischen sind die Planungen so weit gediehen, dass die Realisierung beginnen kann. Dazu rief Erlangen nach einem Beschluss des Stadtrats die Bürger:innen am 9. Juni 2024 erneut an die Urne. Die Zustimmung fiel jedoch knapper aus als von Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) und vom Zweckverband erhofft.  

Offen abgelehnt oder mindestens skeptisch beurteilt wurde das Vorhaben von der Kreishandwerkerschaft, Erlanger Einzelhändlern, dem Bauernverband, zwei Bürgerinitiativen sowie der Erlanger FDP, AfD und den Freien Wählern. Die Einwände richteten sich vor allem gegen jahrelange Baubelastungen, die Streckenführung durch die Innenstadt, den Verdacht zu niedrig angesetzter Kosten und befürchtete Beeinträchtigungen der Natur. Die CSU zeigte sich gespalten: Während die bayerische Staatsregierung Unterstützung signalisierte, betrachtete die Erlanger CSU das Vorhaben als „Kampfansage gegen den Individualverkehr“. Für das Projekt in Zeug legten sich nicht nur SPD, Grüne und Umweltverbände, sondern auch die IHK, Wirtschaftsunternehmen und die Metropolregion Nürnberg. „Die Region entwickelt sich dynamisch, der Wissenschafts- und Innovationsstandort floriert und die hiesigen Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen investieren in ihre Standorte“, sagte der Wirtschaftsvorsitzende der Metropolregion, Prof. Klaus L. Wübbenhorst. „Die optimale Erreichbarkeit auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist mitentscheidend, ob dieses innovative Standortsystem seine Zukunfts- und Entwicklungschancen nutzen kann.“ 

Als die Erlanger Bürger:innen 2016 zum ersten Mal abstimmten, lehnte eine klare Mehrheit von 60 Prozenten den beantragten Ausstieg aus den Planungen für die StUB ab. Diesmal war die Auszählung der Stimmen eine Zitterpartie. Als am Ende eine Zustimmung von 52,4 Prozent für die Realisierung der StUB feststand, war der Jubel der Unterstützer:innen um so größer. Der Auftrag sei klar, so Oberbürgermeister Janik, das Ergebnis ein gutes Signal für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Erlangen sowie die Verkehrswende: „Und jetzt bauen wir eine Straßenbahn!“ Die Erlanger CSU akzeptierte das Ergebnis. Der Wahlkampf habe in der Stadtgesellschaft Gräben aufgerissen, „die es nun wieder zu schließen gilt“. Einschließlich Planung soll die StUB nach dem Preisstand von 2022 rund 720 Millionen Euro kosten. Der Zweckverband hat kalkuliert, dass durch die Förderung des Bunds und des Freistaats die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach davon insgesamt nur 131 Millionen Euro tragen müssen.  

Keine Tram bekommen wird dagegen Regensburg. Ebenfalls am 9. Juni hatten die Bürger:innen hier über die Fortsetzung der Planungen für eine Stadtbahn mit zwei Linien zu entscheiden. Vorausgegangen war ein Beschluss des Stadtrats, die Fortführung des Projekts wie von der Regensburger CSU gefordert von einer Bürgerbefragung abhängig zu machen. Als wichtiges Argument für das ÖPNV-Projekt rechneten die Stadtwerke vor, die geplante Stadtbahn sei mittelfristig kaum teurer, aber erheblich leistungsfähiger als ein reiner Ausbau des Bussystems mit Elektrobussen. Trotz Unterstützung eines breiten Bündnisses aus Parteien, Verbänden, Vereinen und Bildungseinrichtungen fiel das Projekt durch – auch deshalb, weil CSU und Freie Wähler aus dem Koalitionsvertrag mit der SPD und der FDP ausscherten und sich gegen die Stadtbahn positionierten. 53,6 Prozent der Abstimmenden lehnten die Tram schließlich ab. Ein Grund dafür sei auch die Furcht vieler Menschen vor Veränderungen, so Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD): „Regensburg hat eine Zukunftschance vertan.“